Erinnerungen | Nachdenken: Genozid

Prolog: Erinnerungen 1990-2022

Am 1. Oktober 1990 wurde Rwanda von Exilrwandern von Uganda aus angegriffen. Seitdem herrschte Krieg, der trotz zahlreicher Friedensverhandlungen, unter der Ägide der Vereinten Nationen wie auch europäischer und afrikanischer Staaten nicht zu Ende kam.
Dreieinhalb Jahre später, am 6./7. April 1994 begannen Massaker und der Genozid in nicht beschreibbaren Ausmaßen – ab dem Augenblick war nichts mehr so wie vorher -> From War to Genocide, André Guichaoua

Rwanda: Hintergründe der Katastrophe – Opfer, Täter und die internationale Gemeinschaft, Hildegard Schürings, In: VEREINTE NATIONEN Heft 4/1994
Schürings Hildegard (Hg), Ein Volk verlässt sein Land – Krieg und Völkermord in Ruanda, ISP Verlag 1994, 253 S.
Des Forges Alison, Human Rights Watch/ Fédération Internationale des Ligues des Droits de l’Homme: Kein Zeuge darf überleben – Der Genozid in Ruanda. Hamburger Edition 2002, 946 S. Leseprobe

Eine Gruppe von Jugendlichen aus Rwanda, die in Europa leben, fährt 2003 nach einem Jahr Vorbereitung mit Imbuto e.V. in ihr Heimatland Rwanda, das sie 1994 verlassen haben: Spurensuche, sich versöhnen …

Zum Abschluss eine Trauerfeier mit Verwandten und Freund*innen im Centre St. Paul in der Hauptstadt Kigali, Abschied nehmen … Mehr als hundert Personen sind gekommen … Der Abschied fällt schwer.

-> Für Frieden und Versöhnung – Jugendbegegnungen in Rwanda 2003

2005 finden wiederum Begegnungen von Imbuto e. V. mit Jugendlichen und Vereinen in Rwanda statt. Johanna Janusch schildert Erfahrungen: Trauma im Gepäck 2006

Auf dieser Seite „Nachdenken: Genozid“ finden Sie Veranstaltungen sowie die Ausstellung „Rwanda Entgrenzungen“ mit Begleitprogramm, die Imbuto e. V. in Zusammenarbeit mit weiteren Organisationen zum Gedenken an den „Genozid Rwanda“ durchgeführt hat.

Auf der Seite Wege zum Frieden sind weitere Projekte zu „Friedensförderung und Versöhnung“ von Imbuto e.V. in Kooperation mit vielen Partnerorganisationen in Europa und in der Region der Großen Seen seit 2002 beschrieben, z. B. Voneinander lernen – nach der Shoa in Europa und dem Genozid – Rwanda, Dezember 2005
Zahlreiche Publikationen zu Rwanda, zum Krieg und Genozid, Aufarbeitung, Justiz, Versöhnung sowie zu Projekten von Imbuto e.V. gibt es hier: Publikationen | Ausstellungen.


Chronologie der Ereignisse in Rwanda 1990-1994
Die folgenden Informationen sind offiziellen Dokumenten entnommen oder basieren vorrangig auf Nachrichten des französischen Senders “Radio France Internationale, RFI” und der Nachrichten-agentur Agence France Press (AFP).

1.Oktober 1990 Angriff von Exilrwandern von Uganda aus, die angreifende Gruppe nennt sich FPR (Front Patriotique Rwandais, Rwandische Patriotische Front), am 31. Oktober 1990 wird in Rwanda Kriegsende gefeiert, daher der Name “Oktoberkrieg”, aber der Krieg wird noch lange dauern.

4.10. vermutlich als Angriff der FPR getarnter Scheinangriff durch die rwandische Armee in Kigali.

Entsendung von 300 französischen Fallschirmjägern und 480 belgischen Soldaten nach Rwanda; bald danach folgen 500 zairische Soldaten.

17.10. Treffen der ugandischen, zairischen, tanzanischen und rwandischen Präsidenten in Mwanza (Tanzania).

20.11. Beginn von Verhandlungen in Goma (Zaire) zwischen fünf Vertretern der FPR und fünf des Regimes Habyarimanas mit Beobachtern aus Burundi, Uganda und Zaire.

Januar 1991 Zahlreiche Morde gegen Angehörige der Batutsi-Minderheit im Norden des Landes.

23.1. Vordringen der FPR in Richtung Gisenyi und Ruhengeri; mehrtägige Besetzung Ruhengeris, Befreiung der dort inhaftierten politischen Gefangenen.

Feb. 1991 In Dar-es-Salaam (Tanzania) verkündet die rwandische Regierung, die Rechte der Flüchtlinge auf eine freiwillige Rückkehr in ihre Heimat anzuerkennen.

29.3.91 Vereinbarung eines Waffenstillstandes zwischen Regierung und FPR in N’Sele (Zaire).

Januar 1992 Beginn von Friedensverhandlungen in Paris.

3.3. Extremisten töten in Kanzenze ca. einhundert Angehörige der Batutsi als Reaktion auf eine Sendung von Radio Rwanda, die eine bevorstehende Liquidierung der Bahutu-Elite durch die anrückende FPR ankündigt.

16.4. Bildung der ersten Übergangsregierung unter Minister­präsident Dismas Nsengiyaremye (MDR) unter Beteiligung der Parteien MRND, MDR, PL, PSD, PDC.

Juni 1992 Übernahme der Kontrolle der nordrwandischen Präfektur Byumba durch die FPR.

Entsendung zusätzlicher französischer Soldaten, deren Zahl jetzt über 600 beträgt.

Frankreich versorgt die Regierung weiterhin mit Waffen und Munition aus Ägypten und Südafrika.

Im Vorfeld der Pariser Verhandlungen erklären sich die wichtigsten Oppositionsparteien mit den Zielen der FPR einverstanden, verurteilen aber die Mittel, mit denen die FPR ihre Ziele erreichen will.

10.6. Beginn neuer Verhandlungen in Tanzania;

eine Verfassungsänderung ermöglicht ein Mehrparteiensystem, in der Folge Legalisierung der Oppositionsparteien MDR, PL, PSD, PDC und einiger kleinerer Parteien.

12.7. Beginn von Friedensverhandlungen in Arusha, Waffenstillstand zwischen FPR und rwandischer Regierung (1. Arusha-Abkommen), die Kämpfe gehen sporadisch weiter. Die OAU setzt eine Gruppe von afrikanischen Militärbeobachtern (GOMN – Groupe d’Observateurs Militaires Neutres) ein, die die Grenzen sichern, d.h. erneute Angriffe von Uganda aus verhindern sollen. Ca. 400.000 Menschen, die seit 1990 vor den Kämpfen geflohen sind, leben in Flüchtlingslagern in Rwanda.

18.8. Modalitäten der Etablierung eines Rechtsstaates nach Beendigung der Kampfhandlungen zwischen Regierung und FPR unterschrieben (2. Arusha-Abkommen).

Januar 1993 Vereinbarung bezüglich der Bildung einer Übergangsregierung unter Teilnahme der FPR (3. Arusha-Abkommen).

7./8.2. 1993 Immer wieder kommt es zur Ermordung besonders von Batutsi, nach dem Mord an mehreren Hundert Personen erfolgt ein Großangriff der FPR in Ruhengeri und Byumba, eine große Fluchtbewegung Richtung Kigali, ca. eine Million Rwander und Rwanderinnen sind auf der Flucht.

25.2. Beginn neuer Verhandlungen zwischen FPR und den rwandischen Oppositionsparteien in Burundi. Die rwandische Regierung verzichtet auf eine Teilnahme.

5.3. Vereinbarung eines neuen Waffenstillstandes zwischen FPR und der rwandischen Regierung in Tanzania.

22.6. Entsendung einer UN-Mission (MONUOR – Mission d’Observa­tion des Nations Unies Ouganda-Rwanda) nach Uganda, sie soll kontrollieren, daß keine Waffenlieferungen für die FPR über Uganda in den Norden Rwandas erfolgen.

Juli 1993, Bildung der zweiten Übergangsregierung unter Ministerpräsidentin Agathe Uwilingiyimana (MDR) mit Beteiligung der Parteien MRND, MDR, PL, PSD, PDC.

4.8. Abschluß des Friedensvertrags von Arusha, Beteiligung der Parteien MRND, MDR,  PSD, PL, PDC sowie der FPR, wichtigste Ergebnisse: Bildung einer erweiterten Übergangsregierung mit der FPR, vorgesehen spätestens bis Ende Dezember 1993, Bildung einer gemeinsamen Armee aus 40% FPR-Soldaten und 60% Soldaten der Forces Armées Rwandaises (FAR); Faustin Twagiramungu (MDR) wird namentlich als Ministerpräsident designiert, später allerdings durch Gerichtsbeschluß aus seiner Partei ausgeschlossen.

5.10. laut Beschluß des UN-Sicherheitsrates (Resolution Nr. 872) nehmen Blauhelm-Soldaten im Dezember 1993 ihre Tätigkeit in Rwanda auf (MINUAR – Mission des Nations Unies pour l’Assistance au Rwanda); Aufgaben sind, den Frieden zu sichern, die Einsetzung der erweiterten Übergangsregierung zu unterstützen, später bis zur Durchführung demokratischer Wahlen in 1995 die Übergangsphase   zu sichern.

21.10. Versuch eines Militärputsches in Burundi, der erste demokratisch gewählte Präsident Melchior Ndadaye und hohe Politiker werden ermordet, darauf  Aufstand der Bevölkerung, der vom Batutsi-dominierten Militär brutal niedergeschlagen wird, ca. 50.000 bis 100.000 Menschen werden ermordet, 700.000 fliehen, davon ca. 350.000 in den Süden Rwandas.

28.12. FPR-Politiker ziehen, begleitet von 600 FPR-Soldaten und belgischen Blauhelm-Soldaten, zur Bildung der erweiterten Übergangsregierung in das Parlamentsgebäude in Kigali ein.

Januar – März 1994 mehrere Versuche, eine Regierung unter dem designierten Ministerpräsidenten Faustin Twagiramungu (MDR) zu bilden, scheitern wegen Streitigkeiten innerhalb der Parteien MDR und PL, Boykottierungsversuche von allen Beteiligten,

die Regierung wird vom Ausland, von den UN, von der Weltbank gedrängt, endlich eine neue Regierung einzusetzen; der einzige, der vereidigt wird, ist der Präsident Juvénal Habyarimana.

21.2. Ermordung von Félicien Gatabazi (Minister für Öffentliche Arbeiten und PSD-Generalsekretär), der eine Zusammenarbeit mit der FPR befürwortete; am nächsten Tag wird Martin Bucyana (CDR-Vorsitzender), der für den Mord verantwortlich gemacht wird in Mbazi, Butare, gelyncht.

6. April 1994 Abschuß des aus Dar-es-Salaam kommenden Flugzeugs Falcon 50: Präsident Juvénal Habyarimana, Burundis Präsident Cyprien Ntaryamira, der Oberbefehlshaber der rwandischen Armee, mehrere Politiker (auch der ehemalige Botschafter in Bonn, Juvénal Renzaho)und die französische Equipage finden den Tod.

7.4. Die Präsidentengarde ermordet Politiker der ehemaligen Oppositionsparteien wie die Ministerpräsidentin Agathe Uwilingiyimana, außerdem 10 belgische Blauhelmsoldaten; die Jugendmilizen der MRND (Interahamwe) und der CDR (Impuzamugambi) ermorden zahlreiche Batutsi und Mitglieder der ehemaligen Oppositions-Parteien.

7.4., 16 Uhr: die 600 FPR-Soldaten verlassen das Parlamentsgebäude und greifen in die Auseinandersetzungen ein.

8.4. Die FPR greift in der Präfektur Byumba an.

Am Nachmittag wird eine “Interimsregierung” gebildet, Präsident: Théodore Sindikubwabo, MRND, bisher Präsident der Nationalversammlung, Ministerpräsident: Jean Kambanda, MDR;

Radio-Télévision Libre de Mille Collines sendet weiterhin Hetzparolen und Aufforderungen zum Mord, zahlreiche Batutsi und Bahutu-Intellektuelle, besonders aus dem Süden, werden ermordet;

zahlreiche Menschen flüchten vor den brutalen Massakern in Stadien, Hotels, Kathedralen, Missionsstationen und Pfarreien.

9.4. Der UN-Sicherheitsrat beratschlagt über die Situation; Belgien, Frankreich, USA, Deutschland und andere Staaten evakuieren ihre Bürger, die rwandischen Mitarbeiter in den Projekten müssen im Land bleiben.

11.4. Die FPR greift Kigali an;

der Präsident von Tanzania Mwinyi versucht, zwischen den Parteien zu vermitteln, es werden in der Folge verschiedene Treffen vorgeschlagen, die nicht zum Erfolg führen.

13.4. Wegen der aggressiven Haltung gegenüber belgischen Blauhelmen und Bürgern zieht Belgien seine Blauhelm-Soldaten (450 von insgesamt 2.500) ab und vertritt im UN-Sicherheitsrat, die Ansicht, die Anwesenheit der Blauhelme in Rwanda sei zwecklos.

21.4. Der UN-Sicherheitsrat beschließt in der Resolution Nr. 912, die Zahl der Blauhelme auf 270 zu reduzieren, tatsächlich verbleiben 450.

23.4. Auch in Butare im Süden werden zahlreiche Menschen massakriert, inzwischen finden im ganzen Land Pogrome statt.

1. Maiwochenende 1994, innerhalb von 24 Stunden flüchten ca. 250.000 Menschen nach Tanzania, in Benako entsteht das (zu diesem Zeitpunkt) größte Flüchtlingslager der Welt.

Die Zahl der durch die Milizen und die rwandische Armee brutal Ermordeten wird auf 200.000 bis 500.000 Menschen (Frauen, Männer und Kinder) geschätzt; die Rwander fliehen in großer Zahl vor den Massakern und auch dem Vorrücken der FPR.

Der UNHCR wirft der FPR Folter und Morde an zahlreichen Rwandern vor.

17.5. Der UN-Sicherheitsrat beschließt mit der Resolution Nr. 918, die Zahl der Blauhelme auf 5.500 zu erhöhen, dies mit einem erweiterten Mandat der Möglichkeit zur Selbstver­teidigung.

22.-27.5. Ein Sonderbeauftragter des Generalsekretärs der UN versucht, zwischen den Konfliktparteien zu vermitteln, um einen Waffenstillstand zu erreichen.

Die FPR nimmt das Militärcamp von Kanombe in der Nähe des Flughafens von Kigali ein.

24./25.5. Außerordentliche Versammlung der UN- Kommission für Menschenrechte in Genf, ein Sonderberichterstatter, René Degni-Segui, Professor für Jura in Abidjan, Elfenbeinküste, wird ernannt; drei Wochen später stellt er in einem Bericht fest, daß die Massaker systematisch vorbereitet wurden und es sich um einen Genozid handle, der von einem internationalen Gerichtshof gerichtet werden müsse.

25.5. Boutros Boutros-Ghali erklärt das Scheitern der Weltgemeinschaft, da sie nicht nachdrücklich genug (politisch und humanitär) auf die Katastrophe in Rwanda reagiere.

2.6. Die FPR nimmt Kabgayi im Zentrum Rwandas ein.

3.6. Mgr. Thaddée Nsengiyumva, Vorsitzender der rwandischen, katholischen Bischofssynode, der Erzbischof von Kigali, Vincent Nsengiyumva, und der Bischof von Byumba sowie zehn Priester werden von FPR-Soldaten in Kabgayi ermordet.

12.6. Die “Interimsregierung” zieht aus Gitarama nach Gisenyi ab. Sie hatte sich selbst ein Mandat für sechs Wochen gegeben, um den Friedensvertrag von Arusha umzusetzen und wieder Ruhe ins Land zu bringen.

15.6. Auf dem 30. Gipfel der Organisation Afrikanischer Einheit in Tunis wird zwischen den Konfliktparteien “Interims­regierung”, vertreten durch Sindikubwabo, und der FPR (Pasteur Bizimungu) ein Waffenstillstand geschlossen, der nur wenige Stunden anhält.

Frankreich kündigt eine humanitäre Intervention an und erhofft eine Unterstützung durch die europäischen Staaten.

22.6. Der UN-Sicherheitsrat billigt die französische Intervention (Resolution Nr. 929), durch die bis zum Eintreffen der Blauhelm-Soldaten bedrohte Menschen geschützt und Sicherheitszonen eingerichtet werden sollen.

Auf Wunsch von Frankreich wird das Mandat bis zum 21. August 1994 befristet.

23.6. Französische Soldaten beziehen Stellung in Goma und Bukavu (Zaïre), „Operation Türkis“ beginnt, vorgesehen sind: kein Eingreifen in die Kämpfe, möglichst wenig Kontakt mit der “Interimsregierung” und rwandischem Militär, rein humanitäre Aktionen;

die FPR lehnt das Eingreifen Frankreichs strikt ab.

Franzosen dringen in rwandisches Gebiet ein, nach Kibuye und Cyangugu, schützen die 8.000, meist Batutsi-Flüchtlinge in Cyangugu (Nyarushishi), evakuieren mehrere Hundert Menschen in den Zaïre.

Sie bitten um internationale Unterstützung, nur der Senegal und Mali schicken einige Zeit später Soldaten.

4.7. Ein Tag vor dem 22. Jahrestag der Machtübernahme durch Habyarimana (5.7.1973) nimmt die FPR die Hauptstadt Kigali, am nächsten Tag auch Butare im Süden ein;

der Krieg geht weiter;

die Franzosen richten in Gikongoro, Kibuye und Cyangugu eine Sicherheitszone ein, in die sich ca. 1,5 Millionen Menschen flüchten.

5.7. Der designierte Ministerpräsident Faustin Twagiramungu kündigt an, er werde nach dem Arusha-Friedensvertrag innerhalb von 14 Tagen eine Regierung bilden, jedoch ohne diejenigen, die an den Massakern beteiligt waren (die Parteien MRND, CDR).

Die Franzosen bitten seit Anfang der Operation vergeblich um internationale Unterstützung, es wird scharfe Kritik von verschiedenen Seiten an dieser Operation geäußert.

10.7. Ministerpräsident Edouard Balladur trägt dem UN-Sicherheitsrat vor, die Blauhelme müßten rechtzeitig bei Rückzug Frankreichs eintreffen, dies wird nicht gesichert sein.

14.7. Die FPR nimmt Ruhengeri im Nordwesten ein, eine große Fluchtbewegung in den Zaïre beginnt, die “Interimsregierung” flieht teilweise nach Cyangugu, Frankreich erklärt sie zu unerwünschten Personen, fordert die Einberufung des UN-Sicherheitsrates, die “Interimsregierung” weicht in den Zaïre aus.

Der UN-Sicherheitsrat fordert einen sofortigen bedingungslosen Waffenstillstand.

15.7. Die USA erkennen die rwandische “Interimsregierung” nicht mehr an, sie schließen die rwandische Botschaft in Washington und fordern, daß der Vertreter Rwandas im Weltsicherheitsrat abgesetzt wird.

Die FPR kündigt die Einsetzung einer neuen Regierung an.

Ca. 350.000 Menschen sind bereits in der Region von Goma angekommen, es werden bis zu 900.000 erwartet.

17.7. Die FPR zieht in Gisenyi ein, ein Volk zieht aus seinem Land aus, ca. eine Million Flüchtlinge befinden sich im Zaïre.

Die FPR benennt Pasteur Bizimungu (bisher bei der FPR zuständig für Information, 1990 aus Rwanda geflüchtet, bis dahin Direktor von Electrogaz) als Präsidenten, Faustin Twagiramungu (MDR) als Ministerpräsidenten,

die Regierung soll am 19.7.1994 eingesetzt werden, das Parlament vier Wochen später, Wahlen werden fünf Jahre später angesetzt.

18.7. Die FPR erklärt das Ende des Krieges und einen einseitigen Waffenstillstand,

die Menschen fliehen zu Tausenden in den Zaïre nach Goma; die Flucht aus der von den Franzosen kontrollierten Sicherheitszone nach Bukavu (Zaïre an der Südspitze des Kivu-Sees beginnt.

19.7. Die Regierung wird eingesetzt und Anfang August ergänzt, insgesamt 21 Regierungsposten, Präsident: Pasteur Bizimungu (FPR), Vizepräsident: der Oberbefehlshaber der FPR, Paul Kagame, gleichzeitig Verteidigungsminister, Ministerpräsident: Faustin Twagiramungu (MDR); die FPR besetzt insgesamt neun Posten, die MDR vier (Ministerpräsident, Außenministerium, Informationsministerium und Ministerium für Primar- und Sekundarschulen), Liberale Partei und Sozialdemokraten drei und die Christdemokraten einen Posten. Justizminister wird der unabhängige frühere Generalstaatsanwalt A.M. Nkubito.

20.7. Inzwischen sind schätzungsweise 1,5 Mio Menschen in Goma, ca. 500.000 in Bukavu, es gibt riesige Versorgungsprobleme, kein Wasser, keine Nahrung, zu wenig Medikamente. Das Karussell der humanitären Hilfe beginnt, sich zu drehen.

21.7. Die Cholera grassiert, mehrere Hundert Menschen sterben pro Tag.

22.7. 2.000 bis 3.000 Tote wurden an einem einzigen Tag begraben;

die internationale Gemeinschaft mobilisiert sich, Bill Clinton kündigt ein umfangreiches Sonderhilfsprogramm für die Flüchtlinge an und erklärt,

damit die Regierung in Rwanda anerkannt werden kann, müsse sie auf einem breiten nationalen Konsens basieren und zur Versöhnung beitragen;

Boutros Boutros-Ghali appelliert an alle Staaten, alle ihnen möglichen Mittel für die rwandischen Flüchtlinge aufzubringen.

23.7. Die USA beginnen mit einer Abwerf-Aktion von Nahrungs­mitteln über Rwanda, diese Aktion sollte über mehrere Wochen lang permanent durchgeführt werden; die Aktion wird von Hilfsorganisationen heftig kritisiert und nach wenigen Stunden beendet.

26.7. Die USA kündigen an, sie würden eine humanitäre Aktion in Kigali beginnen, mit dem Einsatz von 2000 US-Soldaten, die Basis solle deswegen Kigali sein, damit die Flüchtlinge nach Rwanda zurückkehren.

Zahlreiche Organisationen entsenden Wasseraufbereitungsanlagen und Nahrungsmittel nach Goma, in der Sicherheitszone der Franzosen ist wegen der mangelnden Versorgung mit Nahrung die Situation noch prekärer als in Goma.

Treffen von Präsident Mobutu (Zaïre) und Bizimungu auf Mauritius, Mobutu sichert zu, die rwandische Armee auf seinem Territorium zu entwaffnen und jede politische und militärische Aktion des rwandischen Militärs und der “Interimsregierung” von Zaïre aus zu unterbinden.

28.7. Offensichtlich sind sich die USA nicht einig über ihren Einsatz, die Angaben über Zahl der Militärs und ihren Einsatz­ort ändern sich täglich.

Kanada wird 350 Soldaten zur Wiederinstandsetzung des Flughafens entsenden.

Großbritannien folgt mit 500 Soldaten, außerdem ist der Einsatz von australischen und ghanaischen Blauhelm-Soldaten vorgesehen.

30.7. Die “Interimsregierung” im Exil in Zaïre reorganisiert sich, ebenso die rwandische Armee. Regierung und Milizen behindern Menschen, die zurückkehren wollen.

Es herrschen katastrophale Bedingungen in den Lagern, nach Cholera nun die Ruhr, ein Riesenaufgebot an Hilfsorganisationen, weltweit wird für Rwanda gespendet.

31.7. Eine erste Gruppe von 60 Amerikanern trifft in Kigali ein, sie sollen rein humanitäre Aufgaben erfüllen, vorgesehen ist ein Kontingent von 4000 US-Soldaten.

Die Zahl der Toten in Goma wird auf 20.000 geschätzt, die meisten sterben aufgrund von physischer Erschöpfung und wegen Dehydrierung. Ca. 70.000 Flüchtlinge sind bisher nach Rwanda zurückgekehrt.

Ein Teil der französischen Soldaten wird abgezogen, es verbleiben etwa 900 Soldaten in der Sicherheitszone.

2.8. Bei einer Konferenz der Vereinten Nationen in Genf sollten 435 Mio US-Dollar für die Flüchtlingshilfe durch UN-Mitgliedstaaten erbracht werden, es kamen nur 137 Mio.US-Dollar, zugesagt von 60 Regierungen zusammen.

3.8. Twagiramungu erklärt in einem Interview mit “Le monde”, es handele sich um etwa 32.000 Personen, ohne die Milizen, die an der Planung und Durchführung des Völkermords beteiligt waren und die verurteilt werden müßten.

4.8. Die Flüchtlinge kehren trotz zahlreicher Appelle nur sehr zögerlich zurück, es heißt immer wieder, es gäbe gegenüber Zurückkehrenden Strafaktionen. Diese werden von der neuen Regierung bestritten.

7.8. Ca. 60.000 Batutsi sind nach dreißig Jahren Exil nach Rwanda zurückgekehrt. Zahlreiche leerstehende Häuser und Geschäfte in Kigali werden von ihnen übernommen.

10.8. Die rwandische Regierung besucht Gisenyi und führt Gespräche mit Amtsträgern im Zaïre bezüglich einer Rückkehr der Flüchtlinge.

Der UN-Sicherheitsrat fordert alle Parteien auf, die Rückkehr der Flüchtlinge zu ermöglichen, die “Interimsregierung” im Zaïre solle aufhören, die Flüchtlinge aufzuhalten.

In Burundi wird die Situation immer angespannter, Extremisten beider Lager stiften durch Angriffe, Morde und Blockaden u. ä. Unruhe.

11.8. Nach verschiedenen Auseinandersetzungen in den Flüchtlingslagern (rwandische Militärs erschießen Rückkehrwillige), kommt es nach der Ermordung eines Flüchtlingsmädchens durch zairische Soldaten zu Demonstrationen von mehreren Hundert Personen.

Die Hilfsorganisationen unterbrechen mehrmals die Verteilung von Lebensmitteln.

14.8 Vertreter der neuen Regierung besuchen zum erstenmal die Sicherheitszone in Kibuye, später auch in Gikongoro und Cyangugu und bemühen sich, die Bevölkerung davon zu überzeugen, daß sie ohne Furcht – auch nach Abzug der Franzosen – dort verbleiben können.

18.8. Einer der Hauptaktionäre des Propagandasenders “Freies Radio-Fernsehen der Tausend Hügel”, Félicien Kabuga, wird mit seiner Frau und sieben Kindern aus der Schweiz als unerwünschte Person in den Zaïre ausgewiesen.

21.8. Etwa 50.000 Menschen sind aus der Sicherheitszone nach Bukavu geflohen, zeitweise hat Zaïre die Grenze geschlossen.

Nach Abzug der Franzosen übernehmen 600 ghanaische und 800 äthiopische Blauhelme die Sicherung der Zone. Die Soldaten aus dem Senegal und aus Mali, die Frankreich unterstützten, werden in das Blauhelmkontingent integriert, ca. 2.000 Blauhelme sind somit in Rwanda.

Von der Regierung wird bestätigt, daß es von seiten der FPR “vereinzelte Vergeltungsaktionen” gegenüber der Zivilbevölkerung gegeben hat. Zwei Täter seien bereits hingerichtet worden, 60 stünden unter Arrest.

23.8. Die neue Regierung in Rwanda verstärkt ihre Bemühungen, der verbliebenen Bevölkerung Vertrauen in die Sicherheitslage zu vermitteln.

In den Flüchtlingslagern kommt es immer wieder zu schweren Auseinandersetzungen. Die Lebensbedingungen in den Lagern sind unmenschlich.

26.8. Die Weltbank sagt für den Wiederaufbau 20 Millionen US-Dollar zu.

Zahlreiche Hilfsorganisationen nehmen Kontakte mit der neuen Regierung auf und prüfen Unterstützungsmöglichkeiten.

Die Regierung verfügt über keine Finanzmittel, da die “Interimsregierung” alle Gelder der rwandischen Banken mitgenommen hat. Sie beginnt mit dem Aufbau einer Verwaltung, die meisten Stellen werden mit Rwandern besetzt, die aus dem Exil zurückkehren.

Es gibt etwa 1000 Gefangene in Rwanda, denen Beteiligung an den Massakern vorgeworfen wird. Der UN-Menschenrechtskommissar setzt eine Kommission ein, die ein internationales Tribunal organisieren soll.

28.8. bis 1.9 Verhandlungen zwischen der Regierung von Zaïre und der Regierung in Rwanda; Ergebnis: die Flüchtlinge sollen bis 30. September den Zaïre “freiwillig” verlassen (Am folgenden Tag dementiert der Vizepremierminister von Zaïre, es handelte sich nicht um ein Ultimatum, sondern um einen Wunsch). Der Justizminister von Zaïre sichert zu, sie würden die rwandische Armee im Zaïre entwaffnen. Die von der FPR gestellte Forderung, auch die aus Rwanda mitgenommenen Gelder und Ausrüstungsgüter zurückgegeben werden, werden nicht erfüllt.

Wöchentlich verlassen etwa 12.000 Personen Rwanda Richtung Tanzania, es wird immer wieder von Exekutionen von seiten der FPR berichtet, die von dieser als Einzelfälle dargestellt werden.

Der Vertreter des Hohen Kommissars für Flüchtlinge, der die Arbeit der Hilfsorganisationen in den Lagern koordiniert, lehnt eine weitere Mitarbeit mit der übereilt und mangelhaft organisierten Hilfe von CARE-Deutschland ab. Das Auswärtige Amt, das die CARE-Aktion mit 1,5 Millionen DM unterstützt hat, verteidigt die Aktionen.

5.9. Mit Zustimmung der MINUAR werden die ersten 150 FPR-Soldaten in der sogenannten Sicherheitszone stationiert.

Insgesamt sind etwa 5.000 Blauhelm-Soldaten im Land.

7.9.1994

Die Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“ stellt fest, daß es in Gitarama drei Massengräber gibt, in die offensichtlich Tote, die von der FPR ermordet wurden, geworfen wurden, auch aus anderen Landesteilen wird immer wieder von Exekutionen berichtet. Sie fordert den UN-Kommissar für Menschenrechte auf, die Fälle zu untersuchen.

Viele Personen verlassen weiterhin das Land Richtung Tanzania, einige kehren aus dem Zaïre zurück.

Der UN-Kommissar für Menschenrechte José Ayala Lasso nominiert den Briten William Clarance zum Verantwortlichen für die Untersuchung der Menschenrechtsverletzungen in Rwanda. Es sollen insgesamt 147 UN-Beobachter im Land eingesetzt werden.

Mit mehreren Hundert Personen wird in Kigali Erntefest gefeiert, eine Schweigeminute wird für die zahlreichen Toten eingelegt und … die 3. Republik seit der Unabhängigkeit 1962 wird gefeiert.

Aus: Schürings, H. (Ed): Ein Volk verläßt sein Land. Krieg und Völkermord in Ruanda, Köln 1994

Auf der Suche nach einem besseren Leben: Demokratische Republik Kongo – Marokko – Rwanda

| Versöhnung in Rwanda „Ubupfura“

12. – 14. Mai 2017, Marburg – Altenwohnanlage St. Jacob
Imbuto e. V. & Fachschaft Friedens- und Konfliktforschung der Philipps-Universität Marburg

Hier gehen wir auf den Beitrag von Jean de Dieu Basabose ausführlich ein. Das gesamte Seminar u. a. mit den Beiträgen von Emmanuel Mbolela zur Flucht aus der DRKongo bis nach Marokko befindet sich hier: Stimmen aus dem Süden

Organisationsteam: Luise Lehmann, Mathias Krams, Miriam Richter, Hildegard Schürings, Jule Bumiller
Moderator*innen: Luise Lehmann, Susanne Steuber
Übersetzer*innen: Dieter Alexander Behr, Mathias Krams, Miriam Richter, Hildegard Schürings

„Ubupfura“ Rwanda 1990-2017: „Wege der Versöhnung“, Jean de Dieu Basabose

Ein wichtiges Thema des Seminars war die Frage, wie können in Rwanda Friedensprozesse gestärkt werden? Eingeladen durch das Zentrum für Konfliktforschung, Universität Marburg, und Imbuto e.V. war Jean de Dieu Basabose aus Rwanda ein willkommener Gast. Hier sein Bericht über die Reise in Deutschland.

Basabose berichtet über die Philosophie, die Aktivitäten und Ergebnisse der Arbeit des Vereins „Shalom Educating for Peace – SEP“ in Rwanda.
Jean de Dieu hat den Krieg (ab Oktober 1990) und 1994 Genozid in Rwanda miterlebt, später in Südafrika promoviert und 2007 den Verein gegründet. Seit 14 Jahren ist er für Versöhnung tätig.
Wir diskutieren, was ein Prozess der Versöhnung zwischen Opfern und Tätern für beide Seiten bedeutet, wie dieser gefördert werden kann und welche Prinzipien und Situationen es möglich machen, sich mit sich selbst und den Anderen zu versöhnen.

Der Verein Shalom arbeitet an mehreren Projekten. Zum Ansatz der Arbeit von Shalom …

Mathias Krams übersetzt den Vortrag von Jean de Dieu Basabose, NGO: Shalom Educating for Peace, Thema: „Ubupfura – Wege der Versöhnung in Rwanda“.
Jean de Dieu Basabose bedankt sich bei Imbuto für die Einladung und dass der Verein die Reise nach Deutschland ermöglicht hat. Er wird versuchen, den Ansprüchen des Titels gerecht zu werden. Jean de Dieu erzählt zunächst seine eigene Geschichte: Er ist in Rwamagana im Osten Rwandas aufgewachsen und ging dort zur Schule. Sein Vater war Hutu, seine Mutter Tutsi. Sein Vater starb, als er 9 Jahre alt war. Ab da lebte er in der Familie seines Onkels, seine Mutter dagegen in der Hauptstadt Kigali.

Im April 1994 war er 20 Jahre alt und wegen der Oster-Schulferien bei seiner Mutter. Sie lebten genau zwischen der Front der Truppen (St. Famille, rwandisches Militär und RPF – Rwandische Patriotische Front). Sie blieben dort, bis die RPF am 4. Juli 1994 die Hauptstadt Kigali einnahm. Er hatte Glück, weil er nicht vertrieben wurde und nicht flüchten musste.

Nach dem Genozid hatte er die Möglichkeit, die Sekundarschule fortzusetzten und an der National University of Rwanda Pädagogik und Psychologie zu studieren. Ab 2003 arbeitete er in einem Verein, der Beratung für Gruppen anbot. Während dieser Arbeit sah er, wie sehr die Menschen unter den Folgen der Traumatisierung litten.
Wichtigstes Prinzip für sein Leben ist, alles zu tun, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen und in Rwanda etwas zu verändern. Er hat in Südafrika Friedens- und Konfliktforschung studiert und später auch promoviert und mit einer Kollegin aus Südafrika den Verein „Shalom Educating for Peace – SEP“ gegründet. SEP arbeitet zusammen mit der Nationalen Versöhnungskommission (NURC – National Unity and Reconciliation Commission).

Drei Ziele der Friedenspädagogik verfolgt der Verein SEP:
Bildungsarbeit für Kinder, Forschung und Förderung einer Kultur der Gewaltfreiheit. Der Verein Shalom hat keine Verbindung zum jüdischen Glauben, aber das Konzept drückt aus, was Jean de Dieu sich für Rwanda wünscht.

Fünf Prinzipien liegen der Arbeit zugrunde:
– dass die Konfliktparteien sich versöhnen,
– Ungerechtigkeiten ausgeglichen sind,
– die Wunden geheilt,
– die Menschen keine Ängste voreinander haben und
– Gemeinschaften sich holistisch entwickeln und aufblühen.

Projekt: „Ubupfura“
Ubupfura ist ein Wort aus der rwandischen Sprache Kinyarwanda, es gibt kein wirkliches Äquivalent in anderen Sprachen („Herzensgüte“), es umfasst mehrere Werte und Tugenden wie Weisheit, Würde, Integrität, Respekt, Empathie, Nächstenliebe.

Basabose hat sich gefragt, warum wenige Menschen daran glauben, dass es positiven Frieden gibt. Er glaubt, dass das an der Gesellschaft liegen muss. Seines Erachtens ist dabei Korruption ein Kernproblem. Rwanda ist das Land in Ostafrika mit der geringsten Korruption.
Jean de Dieu hat über das Thema, wie man Korruption durch Bildung verringern kann, promoviert. Um Korruption zu bekämpfen, müssen lokale kulturelle Konzepte benutzt werden. Korruption unterhöhlt die Prozesse, die zu Frieden führen könnten.

Wie das Lied des berühmten Poeten Cyprien Rugamba, der mit seiner Frau sowie sechs seiner zehn Kinder während des Genozids 1994 ermordet wurde: „Wir müssen unseren Kindern eine gute Erziehung geben und ihnen Werte vermitteln, die sie weitergeben.“, daher der Name „Ubupfura“. Kinder sollen so erzogen werden, dass sie nicht korrupt werden, z.B. stehlen, also Korruption von frühem Alter an verhindern.

Versöhnung
Versöhnung ist seit 1994 ein wichtiges Thema in Rwanda. Definition von Shalom mit Fokus auf Heilung, Wahrheit, Vergebung, Wiedergutmachung, Beziehungen wieder herstellen, Angst lösen, um den Kreis der Gewalt zu unterbrechen. Für eine bessere Zukunft braucht man aktive Gemeinschaften und Gesellschaften, die einander vergeben können. Wir müssen unsere Verbindungen miteinander wieder aufbauen, nach dem Genozid musste viel in unsere Beziehungen zueinander investiert werden.
Die vier Prinzipien für die Arbeit sind: Empathie, Gleichheit, Inklusion, Freiheit.
In jedem der 30 Distrikte in Rwanda gibt es ein Forum für Versöhnung, aber nicht alle haben das notwendige Wissen, um diese adäquat zu gestalten. Hier unterstützt Shalom. Ein Beispiel ist das Baumprojekt.

  1. Schritt: Einen Baum pflanzen, als Ort um zusammenzukommen, der Baum ist Symbol für die Bereitschaft, sich zu versöhnen. Die Personen müssen als Gruppe zusammenkommen, um sich um den Baum zu kümmern.
  2. Schritt nach einem Jahr: 5 Bäume pflanzen, die für die Prinzipien von Shalom stehen und den ersten Baum umringen.
  3. Schritt (kompliziertester Schritt): Ich pflanze einen Baum im Garten meines Feindes (Täter-Opfer Austausch) und muss mich um diesen Baum der Familie des Opfers/Täters kümmern.
    SEP hat dies in der nördlichen Provinz in Rwanda ausprobiert, aber beim 3. Schritt waren viele Familien empört. Jean hat gesagt, dass er das verstehen kann und dass diese Familien für den dritten Schritt noch nicht bereit sind. Jean de Dieu stellt fest, dass die Gesellschaft für diesen Schritt noch nicht bereit ist. Die Menschen brauchen noch Zeit.

    Laut Basabose sind Herausforderungen und Hindernisse für Versöhnung:
    • Unterschiedliche Wahrnehmung der Geschichte von Rwanda
    • Mangel an effektiven Dialogstrukturen für Versöhnung
    • Bei einigen Menschen eine weiterhin bestehende genozidäre Ideologie
    • Viele Täter bitten nicht wirklich um Vergebung
    • Misstrauen, Mangel an Wahrheit, Schweigen und Verdächtigungen
    • Falsches Verständnis von Versöhnung, oft verwechselt mit Zusammenleben
    • Nicht ausreichende Unterstützung, um Wunden zu heilen
    • Korruption, die den Prozess verhindert.

    „Lessons learnt“ der Arbeit von SEP
    • Es gibt keine Versöhnung ohne Wahrheit, ohne Heilung der Wunden der Vergangenheit und ohne Vergebung.
    • Nachhaltige Versöhnung meint nicht „Zusammenleben“, ist eine unabdingbare Voraussetzung für sozialen Zusammenhalt.
    • Versöhnung ist Aufgabe von allen, einschließlich der Täter, der Opfer und aller Mitglieder der Gesellschaft.

Im Anschluss an die Präsentation gibt es eine intensive Diskussion zu den Erfahrungen und Perspektiven für die Menschen in Rwanda. Mehrere Teilnehmende am Seminar haben viele Jahre vor 1994 oder nach 1994 in Rwanda gearbeitet und haben somit einen guten Erfahrungsstand.
Zu den Ergebnisse hier die umfassende Dokumentation des Seminars:

Zum Seminar mit den Beiträgen von Emmanuel Mbolela zur Demokratischen Republik Kongo, die Arbeit von ARCOM in Marokko sowie die Ergebnisse des Seminars -> Stimmen aus dem Süden

Ausstellung | Rwanda Entgrenzungen | Marburg

Pauline Disonn & Hildegard Schürings
Galleria Bruno P. Brüder Grimm Stube Marburg 5.-29. Januar 2017
Mit freundlicher Unterstützung des Kulturamtes der Stadt Marburg und Imbuto e. V.
rwanda-entgrenzungen-marburg_04-29-jan-2017

Rwanda – im Herzen Afrikas – erlangte am 1. Juli 1962 seine politische Unabhängigkeit von Belgien. Bis Anfang der 1990er Jahre war das Land nur wenigen bekannt. Dies änderte sich im April 1994, als Rwanda durch einen Völkermord weltweit in die Medien gelangte. Innerhalb von drei Monaten wurden geschätzt 800.000 Menschen getötet. Alle Analysen haben nicht schlüssig klären können, wie es zu solchen Mordorgien kommen konnte. Der Genozid prägt bis heute das gesellschaftliche Leben, die Beziehungen zwischen den Menschen und die Zukunft.

Die Ausstellung setzt sich mit der Thematik: Leben, Tod, Trauer, Hoffnung, Aufarbeitung und Zukunft auseinander. Sie bettet dies in einen historischen und aktuellen Kontext ein. Das Projekt von P. Disonn und H. Schürings will Zeugnis ablegen, damit wir – die Welt nicht vergisst.
Nach der Shoah in Europa sagte die Völkergemeinschaft 1948: „Nie wieder!“
Es geschieht immer wieder.
Die Ausstellung ist den vielen unschuldigen Frauen, Kindern und Männern gewidmet, die auf grausame Art und Weise ermordet wurden, die gestorben sind, und denjenigen, die unter den menschlichen Verlusten leiden.

Pauline Disonn, 1972-1980 Studium der freien Malerei an der Kunstakademie Karlsruhe und der Hochschule der Künste Berlin. Ab 1980 zahlreiche Ausstellungen und interkulturelle Workshops im In- und Ausland, 1980-1984 Studienaufenthalt in Rwanda.

Hildegard Schürings, Erziehungswissenschaftlerin, arbeitet seit 1978 in und zu Rwanda, zahlreiche wissenschaftliche Veröffentlichungen zu Krieg, Genozid (1990-1994) und die Folgen.

300 Personen haben die Ausstellung besucht, viele einen Kommentar in das Gästebuch geschrieben.
Oberhessische Presse Vernissage 6. Januar 2017

Mehr zur Ausstellung, zu den Künstlerinnen, Besucherstimmen und Veröffentlichungen!

Rwanda Entgrenzungen – Kirche in Ntarama
Brüder Grimm Stube 2017 Marburg (c) H. Schürings

RWANDA: No Future without the Past – Is Reconciliation possible?

aeWorldwide community & Imbuto e.V.
October 27th 2016 at theSeminarhaus, University of Frankfurt. Hildegard Schürings, managing director of Imbuto e.V., will discuss these issues with you. The session is a cooperation between aeWorldwide e.V. & Imbuto e.V.

25 Studierende aus den Ländern Eritrea, Äthiopien, Afghanistan, Irak, Syrien und Deutschland nahmen an der Veranstaltung an der Johann Wolfgang Goethe-Universität teil. Alle waren sehr interessiert und stellten viele Fragen zur Geschichte, dem Ablauf des Genozids sowie zur aktuellen Situation.

The Gacaca courtsTruth Justice Reconciliation | Wahrheit – Gerechtigkeit – Versöhnung, Rwanda


The restructuring of the Rwandan society during colonialism – The dominant historiography is the history of those who rule.

Lecture by Hildegard Schürings, Imbuto e.V.
05.07.2016 Imbuto & academic experience worldwide
Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main

UNTER NACHBARN – Vom Leben mit den Mördern | Haus am Dom Frankfurt am Main

Film von Steffen DÜVEL 2008, 2.11.2016

Imbuto e.V. in Zusammenarbeit mit EPN-Filmreihe fern:welt:nah und dem Haus am Dom, Frankfurt am Main

Rwanda (Ruanda), im Herzen Afrikas, war von 1887 bis 1916 „Schutzgebiet“ des Deutschen Reiches. Der Staat erlangte am 1. Juli 1962 seine politische Unabhängigkeit von Belgien. Bis Anfang der 1990er Jahre war Rwanda nur wenigen bekannt.
Dies änderte sich im April 1994, als Rwanda durch einen Völkermord weltweit in die Medien gelangte. Innerhalb von drei Monaten wurden ca. 800.000 Menschen, vor allem Angehörige der Bevölkerungsgruppe der Batutsi und viele Bahutu und Batwa getötet. Während des Mordens flüchteten mehrere Millionen innerhalb des Landes oder in die Nachbarländer Tanzania, Burundi, Uganda und in das damalige Zaire, heute Demokratische Republik Kongo.
Die meisten Menschen, besonders auch Rwander und Rwanderinnen, stehen dem Genozid fassungslos gegenüber.

Der Genozid prägt bis heute das gesellschaftliche Leben, die Beziehungen zwischen den Menschen und die Zukunft.
Der Völkermord 1994 stellte einen Wendepunkt in der internationalen Politik und Entwicklungszusammenarbeit dar: Konfliktprävention und Friedensförderung wurden zu zentralen Themen politischer, militärischer, ziviler Institutionen und wissenschaftlicher Forschung.
Der Film von S. Düvel lässt fünf Überlebende des Völkermords sprechen: über ihr Verhältnis zu den Tätern, ihren Schmerz, ihre Gedanken zur Zukunft. Diese Zeugenaussagen sind sehr eindrücklich und geben ein differenziertes Bild von verschiedenen Lebenssituationen und der Bewertung der Ereignisse – der Vergangenheit, des Krieges, des Genozids und der Gegenwart.

In Rwanda werden zahlreiche Programme zur Versöhnung durchgeführt.
Aber ist nach 22 Jahren Versöhnung möglich?

Gespräche mit:
* Steffen Düvel verbrachte seine Kindheit in Afrika und beschloss 2008 mit diesem Film das Studium an der Filmakademie Baden-Württemberg. Der Film wurde 2008 für den deutschen Menschenrechts-Filmpreis nominiert.
* Hildegard Schürings, Geschäftsführerin von Imbuto e. V.
Moderation: Susanne Steuber, Diplom-Volkswirtin, war von 2007–2010 als Beraterin Öffentliche Verwaltung am „Rwanda Institute for Administration and Management – RIAM“, Kigali, für den Deutschen Entwicklungsdienst DED tätig.

Etwa 40 Besucher*innen fanden sich im Haus am Dom in Frankfurt ein. Der beeindruckende, berührende Film löste eine sehr intensive Diskussion aus: viele Fragen zur aktuellen Situation in Rwanda, den fünf Personen des Films – was ist aus ihnen geworden?
Ist Versöhnung möglich? Wie können Überlebende und Täter nebeneinander wohnen? Wieweit wurden Täter zur Rechenschaft gezogen? Wie ist die politische Situation in Rwanda? … Fragen über Fragen …


UNTER NACHBARN – Vom Leben mit den Mördern | Cineplex Capitol Marburg

Film von Steffen DÜVEL
03.05.2016 Cineplex Marburg

Imbuto e.V. & Team Monitoring Trial & Fachschaft Friedens- und Konfliktforschung, Philipps-Universität Marburg
Gespräche mit Steffen Düvel & Hildegard Schürings

Etwa 100 Personen, die meisten davon Studierende, haben in Marburg den Film gesehen. Es gab viele Fragen, viele Antworten und manches blieb offen – weil es keine Antworten gibt.

Prozess gegen einen ehemaligen Bürgermeister in Rwanda am Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Monitoring Team Trial, Universität Marburg
13.04.2016 Universität Marburg

Vorträge:
Dieter Magsam, Rechtsanwalt, Vertreter der Nebenklage
Hildegard Schürings, Imbuto e.V.

Die Studierenden des Monitoring Team Trial wie auch Hildegard Schürings Imbuto e.V. hatten den Prozess beobachtet.

Beim Treffen der Monitoringgruppe zum Verfahren gegen den ehemaligen Bürgermeister Onesphore Rwabukombe, Rwanda, hielt der  Nebenklagevertreter aus dem Frankfurter Völkermordverfahren, Herr Dieter Magsam, einen Vortrag zum Verfahren.
Die Projektgruppe hatte bereits Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern des Generalbundesanwalts und der Verteidigung. Nun erhielten die Monitors Einblicke in die Arbeit und Wirkung eines Opferanwalts.

Hildegard Schürings konnte dank ihrer langjährigen Arbeit in Rwanda Eindrücke über den Hintergrund des Prozesses und über die gesellschaftliche Aufarbeitung des Genozids im Land selbst schildern. Im Dezember 2015 wurde vor dem OLG Frankfurt der ehemalige rwandische Bürgermeister Onesphore R. wegen seiner Mitwirkung am Genozid im Jahr 1994 wegen Völkermordes zu lebenslanger Haft verurteilt.
Artikel der Deutschen Welle zum Verfahren, 29.12.2015

Hier eine ausführliche Beschreibung des Ablaufs des Prozesses in Frankfurt am Main.

Ausstellung | Rwanda Entgrenzungen | Frankfurt am Main

Haus am Dom, Frankfurt am Main
11. März – 1. Mai 2014 Flyer Rwanda Entgrenzungen 2014

Vernissage mit den Künstlerinnen:
Pauline Disonn, Reliefbilder & Hildegard Schürings, Fotografien;
Eröffnung: Dr. Thomas Wagner – Haus am Dom

Koraspiel von Aziz Kuyateh (Griot aus Gambia, Senegal)

Die Ausstellung haben 500 Gäste besucht, viele einen Kommentar im Gästebuch hinterlassen.

Begleitprogramm

„20 Jahre danach – Ist Versöhnen möglich?“
11.03.2014 im Haus am Dom, Frankfurt am Main

Der Genozid in Rwanda 1994 hat die gesamte Gesellschaft zerstört: Hundertausende Tote, mehrere Millionen Vertriebene, die Traumatisierung der Gesellschaft, Zerstörung der Infrastruktur und heute Opfer und Täter, die nebeneinander leben.

Der rwandische Staat hat seit 1994 erhebliche wirtschaftliche und administrative Aufbauleistungen erreicht.
Um die Verbrechen zu dokumentieren und die Täter zu richten, wurden landesweit GACACA-Verfahren durchgeführt und Verfahren gegen etwa 1,9 Millionen Personen organisiert, von denen 86% für schuldig befunden wurden. Der Genozid prägt bis heute das gesellschaftliche Leben, die Beziehungen zwischen den Menschen und die Zukunft. Wie kann man nach solchen menschlichen Verlusten und Verbrechen weiterleben?

Film: Unter Nachbarn – Vom Leben mit den Mördern Regie: Steffen Düvel, 2008
Gespräche mit: Lydie Isabelle Twibanire-Benninghofen & Ananie Bizimana
Moderation: Hildegard Schürings, Imbuto e.V.

„Rwanda, Libyen und jetzt Syrien: wie Schutzverantwortung gestalten?“ 9. April 2014
Podiumsdiskussion mit Vertretern und Vertreterinnen aus Politik und Friedensforschung
Kooperation: Hessische Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung, Frankfurter Rundschau 

„Völkermord in Rwanda und Rolle der Kirchen“
14. April 2014
Es laden ein: das Haus am Dom Frankfurt a. M. & Genocide Alert e.V.

Podiumsdiskussion mit Dr. Daniel Legutke, Dr. Hildegard Schürings, Pfarrer Jörg Zimmermann
Moderation: Gregor Hofmann, Genocide Alert e.V.

->>Zur Rolle der Kirchen in Rwanda Haus am Dom, 120 Min.

Mehr zur Ausstellung und zu den Künstler*innen!

Themenreihe: Afrikanische-deutsche Geschichten | Leben nach 20 Jahren – Völkermord in Rwanda 1994

22. November 2014 35112 Bellnhausen, Imbuto e.V.

Eröffnet wird der Abend mit dem afrikanischen Markt von Imbuto e. V. sowie Informationen und Fotografien zu Rwanda.
Anschließend wird der Dokumentarfilm „Unter Nachbarn – Vom Leben mit den Mördern“ von Steffen Düffel gezeigt.
Der Film lässt fünf Überlebende des Völkermords sprechen: über ihr Verhältnis zu den Tätern, ihren Schmerz, ihre Gedanken zur Zukunft. In Rwanda werden zahlreiche Programme zur Versöhnung durchgeführt – aber ist nach 20 Jahren Versöhnung möglich?

Steffen Düvel sowie Hildegard Schürings luden im Anschluss an den Film zur Diskussion ein.
Viele Teilnehmende waren sehr bewegt und stellten viele Fragen. Wir saßen bis gegen Mitternacht zusammen.

Der Völkermord 1994 stellte einen Wendepunkt in der internationalen Politik und der Entwicklungszusammenarbeit dar: Konfliktprävention und Friedensförderung wurden zu zentralen Themen politischer, militärischer, ziviler Institutionen und wissenschaftlicher Forschung.
Imbuto hat seit 2000 zahlreiche internationale Begegnungen der Friedensförderung mit Jugendlichen aus und in Rwanda organisiert. Paddeln Sie ein wenig auf diesem Portal.

Ein Leben mehr | Lesung mit Esther Mujawayo-Keiner

Lesung im Rahmen des Festivals Africa Alive 2014  am 7. Februar 2014, Stadtbücherei, Frankfurt am Main

Die Autorin und Soziologin Esther Mujawayo-Keiner aus Rwanda überlebte den Völkermord 1994 und verarbeitete ihre Erfahrungen in mehreren Büchern: „Ein Leben mehr“ (2005) und „Auf der Suche nach Stéphanie“ (2007).
Heute arbeitet sie als Traumatherapeutin in Düsseldorf. Sie ist Mitbegründerin der Organisation AVEGA, des Vereins der Witwen des Genozids in Rwanda.
Sie hat zahlreiche internationale Auszeichnungen für ihr Wirken erhalten.

Den Abend moderiert Dr. Hildegard Schürings, Imbuto e.V.,
die ausgewählten Passagen aus dem Buch liest die Autorin Safiye Can.
Zur Lesung, 50 min.

Wer ist ein Täter?
Derjenige, der die Morde geplant hat?
der die Mordmaschinerie umgesetzt hat?
der erschossen hat?
der mit der Machete Frauen, Männer und Kinder zerstückelt hat?
der Frauen und Mädchen vergewaltigt hat?
der den Krieg materiell und strategisch vorbereitet hat?
der den Krieg in den Köpfen vorbereitet hat?
der die Massaker in den Köpfen vorbereitet hat?
der die Waffen geliefert hat?
der die Mörder ausgebildet hat?
der die Mörder falsch oder richtig informiert hat?
der die Hetzsender und Zeitungen finanziert hat?
der die Parolen und Mordaufforderungen gesprochen hat?
der Gerüchte und Falschinformationen in Umlauf gesetzt hat?
der seine Nachbarn nicht geschützt hat?
der unter Lebensbedrohung andere ermordet hat?
der die einen, aber nicht die anderen retten konnte?
der sein eigenes Leben nicht riskiert hat?
der geschwiegen hat?
der nicht geschwiegen, aber nichts erreicht hat?
der geflüchtet ist?
der geblieben ist?
der Opfer und Täter medizinisch versorgt hat?
der mit einer Lüge sich, aber nicht die anderen retten konnte?
der nicht genug insistiert hat, um die anderen zu retten?
der den Sterbenden den Todesschuss gegeben hat?
der zugeschaut hat, wie die anderen zerstückelt wurden?
der den Versteckten nichts zu essen gab?
der nicht von außen eingegriffen hat?
der keine Mittel für die Blauhelme bereitgestellt hat?
der die wirtschaftliche Misere im Land mit verursacht hat?
der tatenlos zusah, wie die Katastrophe sich anbahnte?
der behauptet, seine Wahrheit sei die einzige Wahrheit?
der die Toten nicht beweint und nicht um sie trauert?

Schürings, Hildegard, in: Schürings, H. (Ed): Ein Volk verläßt sein Land. Krieg und Völkermord in Ruanda, ISP-Verlag Köln 1994

Die Fotos und Texte sind im Zeitraum 1978-2011 entstanden.

Ausstellung | Rwanda Entgrenzungen | Siegen

Vernissage 2.10.2012 – 18 Uhr mit den Künstlerinnen Pauline Disonn & Hildegard Schürings
KrönchenCenter Siegen
Veranstalter: Volkshochschule Siegen + ESG Siegen + Eine Welt Forum – Siegen + FORUM der Universität Siegen

Begleitet wird die Ausstellung durch eine Veranstaltungsreihe: Geschichte Ruandas, Analyse der Rolle der Internationalen Gemeinschaft während des Krieges und Genozids 1990-1994, Aufarbeitung und Versöhnungsarbeit, z.B. durch die Gacaca-Verfahren, sowie heutige Veränderungen im politischen und gesellschaftlichen Kontext und zur Situation von Frauen.
Für Schulklassen sowie Studierende werden Führungen angeboten.

Vorträge und Filme
04.10.12 Vortrag Die Geschichte Ruandas, Referentin Dr. H. Schürings
09.10.12 Film Das Versagen der internationalen Gemeinschaft, verantwortlich: Renate Helm
11.10.12 Vortrag Die Gacaca-Gerichte, Referentin Dr. H. Schürings
25.10.12 Film Ruandas starke Frauen, verantwortlich: Renate Helm

Entstehungsprozess der Ausstellung
Seit vielen Jahren hatten Pauline Disonn und Hildegard Schürings die Idee, ein gemeinsames Projekt zu machen. Sie lernten sich 1980 in Rwanda kennen und waren seitdem regelmäßig im Austausch, besonders ab 1990 und dann 1994. Mit dem Genozid 1994 in Rwanda brachen unsere Bilder und Erfahrungen einer gelebten friedlichen humanen Gesellschaft in Zentralafrika zusammen.
Pauline begann, die Ereignisse künstlerisch in Bildern umzusetzen, aus selbst geschöpftem Papier und mit Naturmaterialien.
Pauline, Malerin, und Hildegard, seit vielen Jahren passionierte Fotografin –  überlegten, ob es möglich sei, die Reliefbilder und Fotografien zusammenzuführen.
Die Volkshochschule in Siegen war ein Versuchsfeld. Das Projekt gelang – die Wirkungen der Werke verstärken sich wechselseitig.

Wir danken besonders Andreas Richter und Renate Helm sowie den Mitarbeiter*innen der Volkshochschule Siegen, die es gewagt haben, zu einer Ausstellung einzuladen, die noch gar nicht fertig war.
Das Wagnis hat sich für alle Beteiligten gelohnt.

Der Erfolg hat uns zur Ausstellung „Afrika – Andere Blicke“ ermutigt. Mehr zur Ausstellung und den Künstler*innen!

„No future without the past … Pas d’avenir sans le passé …“

2008 haben wir mit dem Zentrum für Konfliktforschung der Philips Universität Marburg das Symposium „No future without the past …“, Region der Großen Seen 1990–2008 organisiert. Referent*innen und Teilnehmende waren hochkarätige Persönlichkeiten aus drei Kontinenten: 100 renommierte Wissenschaftler*innen, Studierende und Nachwuchswissenschaftler*innen aus dreißig Universitäten und Institutionen in Europa, Zentralafrika, USA und Chile.

Vertreten war auch die Zivilgesellschaft: Liga für Menschenrechte in der Region der Großen Seen – LDGL, Liga der Batwa in Burundi, Ibuka – Rwanda, Vertreter von Frauenorganisationen wie AVEGA – Rwanda, Jugendliche aus Europa und Studierende der klinischen Psychologie in Rwanda, des Zivilen Friedensdienstes sowie der Vereinten Nationen.
Die Teilnehmenden aus neun Ländern, zur Hälfte weiblich, führten einen intensiven, offenen und sehr konstruktiven Dialog. Etwa die Hälfte der Teilnehmenden kam aus der Region der Großen Seen.

Ausgehend von der aktuellen Realität wurden die Komplexität der Konfliktfelder analysiert und Perspektiven für Demokratisierung und Friedensförderung in der Region aufgezeigt.
Es war ein spannender, tiefgehender, hoffnungsvoller Austausch mit der Perspektive, Bausteine zum Frieden beizutragen.

Konferenzsprachen: Englisch und Französisch. Die Veröffentlichung beim Tectum Verlag Marburg 2009 ist ebenfalls in Englisch und in Französisch.

-> Zukunft gestalten -> Wege zum Frieden ausführliche Darstellung des Projekts mit Jugendgruppen in Europa (Imbuto e.V.) und Vereinen und Institutionen in der Region der Großen Seen, Zentralafrika

-> Web: Region der Großen Seen Auswahl an Forschungszentren auf dem afrikanischen Kontinent sowie Institutionen zu: Konflikte, Kriege und Frieden

-> Publikationen, zahlreiche Literatur zum Krieg und Genozid in Rwanda (1990-1994) und zur Situation in der Region der Großen Seen.

Medienlandschaft in Rwanda – wie unabhängig ist die Presse?

29.10.2008, Abgeordnetenhaus Mainz

Podiumsdiskussion mit den Journalisten aus Rwanda: Bahati, Innocent: Radio 10, Rudatsimbura Bryon, Albert: Chairman of the Board of the PressHouse of Rwanda, Rugambwa, Gerard: Chefredakteur von „La Nouvelle Relève“ (Zeitung), Rushingabigwi, Jean Bosco: President Editors‘ Forum sowie
Dr. Hankel, Gerd, Hamburger Institut für Sozialforschung; Dr. Schürings, Hildegard, Imbuto e.V.

Film und Diskussion „Democracy in Rwanda“

Imbuto e.V. 16.02.2008, 35112 Bellnhausen

Film des Institute of Research and Dialogue for Peace (Institut für Forschung und Dialog zur Friedensförderung), Kigali, Rwanda.
Der Film dokumentiert zahlreiche Interviews mit rwandischen Akteuren im In- und Ausland zum Thema: „Was ist Demokratie und was bedeutet sie für Rwanda?“ Dabei werden auch viele kritische Fragen zum Umgang mit dem Genozid an die Politik gestellt.

Rwanda – 10 Jahre nach dem Völkermord | Jean Hatzfeld: Nur das nackte Leben – Berichte aus den Sümpfen Rwandas

Café am Grün, Marburg, 08. Juni 2004

Veranstalter: Buchladen Roter Stern, Marburg; Psychosozial Verlag, Gießen & Imbuto e.V.

Auf großes Interesse stießen die Lesung und Diskussion mit 40 Teilnehmenden, im Exil lebenden Rwandern und interessierten Bürger*innen.

Eingeladen hatte Imbuto zusammen mit dem Buchladen, dem Verlag Psychosozial und Studierenden der Friedens- und Konfliktforschung der Philipps-Universität Marburg.
Die Organisation wurde von Imbuto e.V. und Studierenden geleistet. Moderiert wurde der Abend von Michael Wolf, Mitglied des Buchladenkollektivs. Nach einleitenden Worten übergab er das Wort an die Studierenden.

Diese haben sich mit den Ereignissen in Rwanda während des Frühjahrs 1994 intensiv beschäftigt. Sie präsentierten die Hintergründe und Dimensionen des Völkermords und der Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Anschließend las Karl-Udo Bigott, Übersetzer von „Nur das nackte Leben“ des französischen Journalisten J. Hatzfeld, einige Passagen vor. Geschildert werden die Erlebnisse von Überlebenden des Genozids. Dazu trug H. J. Wirth vom Psychosozial Verlag einen Text zur Traumatisierung von Gesellschaften bei.
Hier die Verlagsankündigung …

Es geschah 1994, zwischen Montag, dem 11. April, 11 Uhr, und Samstag, dem 14. Mai, 14 Uhr: Rund 50.000 der etwa 59.000 Menschen zählenden Tutsi-Bevölkerung wurden auf den Hügeln der Gemeinde Nyamata in Ruanda mit der Machete abgeschlachtet – von Milizleuten und ihren Hutu-Nachbarn, tagtäglich von 9.30 bis 16 Uhr. Das ist der Ausgangspunkt dieses Buches.
Einige Tage zuvor, am 6. April 1994, war das Flugzeug des Präsidenten der Republik beim Landeanflug auf die Hauptstadt explodiert. Dieses Attentat hat die vorbereitete Ermordung der Tutsi-Bevölkerung ausgelöst: Sie beginnt in der Hauptstadt und dehnt sich dann auf das ganze Land aus. In Nyamata, einem Marktflecken in Bugesera, dem Land der Hügel und Sümpfe, beginnt das Morden vier Tage später. Nur wenige Tutsis überleben die Massaker.
Der Journalist Jean Hatzfeld hat Nyamata besucht und vorsichtig das Vertrauen einiger Überlebender gewonnen. Sie brechen ihm gegenüber ihr Schweigen und erzählen in einfacher fast poetischer Sprache, was ihnen widerfahren ist.
Diese Berichte von Kindern, Frauen und Männern sind ergreifend und erreichen mit ihrer authentischen Kraft eine allgemeingültige Dimension.
Jeder, der diese Berichte gelesen hat, wird sie nicht mehr vergessen.

Es folgte eine rege Diskussion: Auf die entsetzte Frage einer Dame, wie es denn so plötzlich zu einem Ausbruch grausamster Gewalt unter Nachbarn kommen konnte, erläuterte Hildegard Schürings, wie der Konflikt sich über einen längeren Zeitraum entwickelt habe. Zudem schilderte H. Schürings die Hintergründe des Genozids sowie die aktuelle Lage in Rwanda. Gegen die Einschätzung aus dem Publikum, es handele sich um Stammeskonflikte, stellte eine Studentin fest, dass es bei solchen Kämpfen in erster Linie um Macht gehe.
Ein etwa 30-jähriger Teilnehmer aus Rwanda, der 1994 den Massakern entkommen konnte, beendete seinen Kommentar mit: „Alle Rwander sind Opfer, auf die eine oder andere Art.“
Die Veranstaltung wurde vom freien Radio Marburg (RUM) gesendet.