Die Reise - August 2003

Die Reise – August 2003

Das Zentrum Tubakunde


Heute ist unser elfter Tag in Rwanda. Wir stehen morgens früh auf, weil uns die Leute vom Zentrum Tubakunde auf der anderen Seite der Hauptstadt Kigali um ca. 9:00h erwarten. Das Zentrum liegt in Rwampala, einem sehr bevölkerten Viertel von Nyamirambo in Kigali. Als wir ankommen, wartet der Direktor schon auf uns. Er stellt uns die anderen Betreuer vor und zeigt uns dann das Zentrum. Tubakunde bedeutet in der nationalen Sprache Rwandas, in Kinyarwanda: „Wir lieben sie“.

Das Zentrum betreut so genannte Straßenkinder. Straßenkinder nennt man Kinder und Jugendliche, die die meiste Zeit des Tages auf der Straße verbringen. Viele von ihnen schlafen auch nachts in einer Ecke im Freien, dort, wo sie Platz finden und nicht verjagt werden. Andere haben eine Pflegefamilie und verbringen die Nächte dort.

Die Zahl der Straßenkinder hat in Rwanda seit 1994 sehr zugenommen. Die Ursachen sind: Armut vieler Familien, viele Kinder haben im Krieg und durch den Völkermord ihre Familien und Verwandten verloren. Und jetzt ist niemand da, der sich um sie kümmert. Manchmal laufen Kinder auch weg von zu Hause, um in der Stadt irgendwie zurechtzukommen. Die Kinder müssen sich selbst darum kümmern, wie sie überleben können, wie sie etwas zu essen und Kleidung finden. Viele Kinder suchen dann in Mülleimern nach Essen oder nach Dingen, die sie verkaufen können. Sie transportieren auch gegen geringen Lohn Waren, bewachen oder waschen Autos. Oft sieht man Kinder und Jugendliche beim Schnüffeln von Klebstoff oder Benzin. Sie atmen die Dünste ein, um ihren Hunger zu stillen.

Wegen der schlechten Lebensbedingungen leiden viele auch an Hautkrankheiten. Wegen der fehlenden Hygiene sind ihre Körper oft mit offenen Wunden übersät. Viele gehen nicht zur Schule.



Die meisten Kinder und Jugendlichen, die auf der Straße leben, sind Jungen, aber es gibt auch einige Mädchen. Diese werden häufig Opfer von Vergewaltigungen. Und so werden schon ganz junge Mädchen schwanger, die man dann bald mit ihren Kleinkindern betteln sieht. Um diese Kinder und Jugendlichen kümmert sich das Zentrum, das 1998 gegründet wurde.
Die Ziele des Zentrums sind, die Rechte von Kindern auf Bildung, Ausbildung und ein menschenwürdiges Leben zu sichern. Daher gibt es eine psychosoziale Betreuung und Angebote an beruflicher Ausbildung. Außerdem werden die Kinder unterstützt, damit sie wieder in die Schule gehen.

Die Besichtigung des Zentrums Tubakunde ist sehr interessant. Der Rundgang beginnt in der Küche, wo viele Kinder beim Kartoffelschälen helfen. Es geht weiter: Wir sehen uns das Zimmer an, in dem Kinder ohne Pflegefamilie leben. Das Zentrum hat außerdem noch vier Räume: Das Büro und drei Klassenzimmer. Im Büro gibt es eine kleine Apotheke, und dem Zentrum steht eine Krankenschwester zur Verfügung, die die Kinder behandelt, die Malaria, Kopfschmerzen oder andere harmlosere Leiden haben. Die ernsthaft Kranken werden im Krankenhaus von Kigali behandelt.

Wir betreten die Klasse der kleinsten Kinder, der 8 bis ca. 12jährigen. Sie singen für uns, das ist sehr toll, super, klasse. Die Lehrerin ist sehr offen, interessiert und nett. In der anderen Klasse treffen wir Kinder, die zwischen 12 und 15 Jahre alt sind. Sie werden zu Elektrikern ausgebildet (1 Mädchen und 26 Jungen). Der Lehrer ist sehr froh zu sehen, dass wir uns für die Jugendlichen aus diesem Milieu interessieren. Im dritten Klassenzimmer wird Hauswirtschaft gelehrt (35 Mädchen und 15 Jungen). Sie sind sehr fleißig und begabt. Sie verkaufen selbst gemachte Marmelade, Amandazi (sehr leckeres Fettgebäck) und Sambuza. Einige von uns kaufen Marmelade und nehmen einige Amandazi für den Rest der Gruppe mit. Vor den Klassenzimmern stehen Sitzbänke, die die Schüler selber gebaut haben. Dorthin kommen jeden Mittag ca. 200 Kinder zum Essen. Die Kinder und Jugendlichen haben viele Möglichkeiten, im Zentrum eine Ausbildung zu erhalten: zum Schuhmacher (5 Mädchen, 20 Jungen), zum Tischler (3 Mädchen, 25 Jungen), zum Elektriker (1 Mädchen, 26 Jungen), in der Hauswirtschaft, im Zeichnen (7 Mädchen, 20 Jungen) und zum Mechaniker (3 Mädchen, 32 Jungen). Das Zentrum bildet momentan 306 Kinder und Jugendliche aus.



Bevor es Essen gibt, machen wir einen kleinen Spaziergang ins Tal, wo das Zentrum einige Felder bewirtschaftet. Ein Teil der Ernte wird verkauft, der andere Teil wird im Zentrum verbraucht. Auf dem Weg dorthin hat jeder eine kleine Gruppe von Kindern um sich, die ununterbrochen Fragen stellen. Dadurch können wir uns besser kennen lernen. Wir stellen alle fest, dass diese Kinder sehr an Ideen interessiert sind, ihre Lebenssituation zu verbessern, und nicht nach Hilfe fragen oder nach Europa kommen wollen. Mittags, nach dem Sport (Volleyball und Fußball) werden wir mit einem Auto zurück ins Zentrum gefahren, Gott sei Dank, denn der Weg ist sehr ermüdend! Die Hauswirtschaftsklasse hat uns ein köstliches, leckeres Mittagessen zubereitet. Wir freuen uns, solch ein tolles Essen genießen zu dürfen. Nach der Mahlzeit geht es weiter: Die Gruppe der Pfadfinder überrascht uns mit einer super Show. Auf dem Programm stehen Trommeln, Gesang und Tanz. Am Ende tauschen wir noch Email-Adressen aus, und versprechen, miteinander in Kontakt zu bleiben. Diesen Tag wird keiner von uns vergessen.

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