Die Reise – August 2003
Abschied von Rwanda – Für die Toten und die Lebenden
Abschiedsfeier am 22. August 2003 im Centre St. Paul
Mehr als Hundert Personen sind gekommen, um unsere Gruppe zu verabschieden, und wir möchten von ihnen Abschied nehmen. Es sind Freunde und Verwandte. Ein wunderbares Abendessen
haben die Köche und Köchinnen des Zentrums St. Paul zubereitet. Und die Getränke fehlen auch nicht. Alle werden herzlich von Imbuto begrüßt.
Später gedenken wir der Toten und der Lebenden:
„Im Gedenken an unsere Eltern, Verwandten und Freunde, die ermordet wurden, und für die Gestaltung einer besseren Zukunft der Lebenden.
Am 3. August 2003 kam eine Gruppe von Jugendlichen des Vereins Imbuto aus Deutschland und Belgien nach Rwanda. Wir haben fast drei Wochen hier verbracht. Das Ziel unserer Reise ist, zu einer
Kultur des Friedens und der Toleranz beizutragen und die Versöhnung zu unterstützen. Die meisten Jugendlichen, die zur Gruppe gehören, sind 1994 aus Rwanda geflüchtet und
dies unter Bedingungen, die ich hier nicht wiederholen muss.
In dieses Land zu kommen, war keine einfache Entscheidung. Es gab viele Ängste, Furcht vor dem Unbekannten und mit der schrecklichen Vergangenheit konfrontiert zu werden, aber auch viel
Sehnsucht, das Land der Kindheit wieder zu sehen.
Wir haben viel gesehen, viele Gespräche geführt, Verwandte getroffen und frühere Freunde wieder entdeckt. Wir haben gemeinsam mit den Jugendlichen in Kimisagara zahlreiche Aktivitäten
durchgeführt. Wir waren gemeinsam in Kibuye, haben in Kimisagara ein Fußballspiel für den Frieden gespielt. Wir haben Projekte für Straßenkinder besucht, uns kundig über das Agacaca-Verfahren
gemacht, haben das Museum in Butare und viele Erinnerungsorte besucht. Wir wurden vom Minister für Jugend, Sport und Kultur, vom Außenminister und vom deutschen Botschafter empfangen.
Wir wollen das Land nicht verlassen, ohne daran zu erinnern, was hier passiert ist, was mit unseren Verwandten und Freunden geschehen ist. Der Ort, an dem wir uns befinden, das Zentrum St. Paul, war
1994 Zufluchtsort für sehr, sehr viele Menschen. Während unseres Aufenthaltes haben wir sehr schmerzhafte Augenblicke erlebt, aber auch viele Momente der Freude, des Wiederentdeckens, der
Begegnung mit tot Geglaubten.
Wir teilen das Leben mit den Toten, ihr Geist ist zwischen uns, selbst wenn ihr Körper anderswo ist. Ich glaube, es ist sehr wichtig, die Toten zu ehren, sich von ihnen zu verabschieden, damit sie ihre
Ruhe finden. Dies ermöglicht uns, den Lebenden, die Zukunft zu gestalten, eine Zukunft, die besser sein sollte als die Vergangenheit.
Zur Erinnerung an die Toten und für die Gestaltung der Zukunft der Lebenden lade ich Sie ein, die Namen der Toten und alles, was Sie sagen möchten, in dieses Buch der Erinnerung und der Zukunft
zu schreiben. Gleichzeitig lade ich alle ein, zu Ehren der Ihrigen eine Kerze draußen auf der Terrasse anzuzünden. Ich danke Ihnen.”
Hildegard Schürings
Veronique Tadjo, eine Schriftstellerin, gebürtig aus der Elfenbeinküste, hat Rwanda besucht und einen Roman geschrieben: L'Ombre d'Imana, Actes Sud 2000, hier einige Auszüge
aus der deutschen Fassung: Der Schatten Gottes – Reise ans Ende Ruandas. Wuppertal 2001: Der Zorn der Toten
Wir haben uns zum Abschied der Toten und Lebenden erinnert:

Video vom Abschlußabend
