Die Reise - August 2003

Die Reise – August 2003

Wiederentdeckung der Kindheit – Erinnerungen und Wiedersehen


Alle Teilnehmenden der Reise möchten an bestimmte Orte ihrer Kindheit zurückkehren: in ihr Viertel, zur Schule, zum Wohnhaus. Wir bereiten uns innerlich darauf vor. Man muss dazu bereit sein, denn dies wird viele Erinnerungen aufwühlen. Und so nehmen wir uns dafür die Zeit. Ab der zweiten Woche bilden sich kleine Gruppen, die sich gegenseitig stützen und dann später auf den Weg machen. Rückkehr in die Kindheit, für einige ist das Wiedersehen sehr zwiespältig, da es sie an Schönes erinnert, aber auch an die Flucht. Dazu kommt, dass die Wahrnehmung als Kind anders ist, alles war größer und schöner. Manche Häuser sind inzwischen heruntergekommen und werden nicht unterhalten. Die Besuche sind ein dauerndes Wechselspiel zwischen der Freude über das Wiedersehen und der Trauer über den Verlust.

Es hat sich sehr schnell herumgesprochen, dass die Gruppe Imbuto aus Europa da ist, und es kommen viele Verwandte und Freunde in das Zentrum. Manchmal erhalten die Jugendlichen auch Besuch von Personen, an die sie sich nicht erinnern. Freunde aus der Kindheit tauchen plötzlich auf, von denen man seit neun Jahren nichts gehört hat. Aber manch einer muss auch feststellen, dass viele Freunde nicht mehr leben.
Schwierig ist es, wenn Besucher sofort über 1994 sprechen und ohne Umschweife ihre Erlebnisse schildern. Man braucht dann viel Kraft, denn die eigenen Erfahrungen sind schon zu belastend. Dann werden fast zehn Jahre Geschichte erzählt, es ist zu wenig Zeit, um alles auffassen zu können.

Einige möchten die Großeltern, die auf dem Land wohnen, wieder sehen. Ein junger Mann sucht seine Großmutter, eine Studentin ihre Patentante, andere suchen Tanten und Onkel oder Freunde. Und dann ist der Tag gekommen. In kleinen Gruppen fahren wir an verschiedene Orte des Landes. Die Freude über das Wiedersehen ist überwältigend. Die Jugendlichen lernen neue Tanten, Onkel, Vettern und Kusinen kennen. Viele Nachbarn kommen, um die Freude und das Glück zu teilen.



Der Besuch bei meinen Großeltern
„Weit entfernt von der Stadt, tief in den hohen Bergen Rwandas. Mitten hinein ins Leben auf dem Lande fahren meine Schwester und ich. Es ist für uns ein Wunder Gottes, es noch geschafft zu haben, unsere sehr alten Großeltern zu sehen. Für sie war es auch unglaublich, uns noch mal in den Armen halten zu können. Unsere Großmutter hat noch über Nacht Ikigagi (Bier aus Hirse) für uns vorbereitet. Da saßen wir: Im Hinterhof, haben geholfen, das Feuer zu machen für das Igikoma (nahrhafter Hirsebrei) zum Frühstück. Dort ist es, als sei die Zeit seit zehn Jahren stehen geblieben. Das Leben ist noch so natürlich und so einfach. Mein Herz hat dort den Frieden gefunden, diese Ruhe in der frischen, reinen Luft. Wir wären gerne noch einen Monat dort geblieben.“

Am Ende des Aufenthalts haben uns alle gedankt, dass wir nach Rwanda gekommen sind, dass die Kinder des Landes den Mut haben, ihr Geburtsland wieder zu sehen. Verwandte und Freunde haben sich gefreut, sich mit den Jugendlichen, die sie seit Kindestagen nicht mehr gesehen haben, auszutauschen. Manche waren über die Offenheit und Freundlichkeit überrascht und dass die heutigen jungen Erwachsenen ihre rwandische Herkunft nicht verleugnen und sich mit der Vergangenheit auseinandersetzen. Einige Großeltern meinten, jetzt könnten sie in Ruhe sterben.



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